Josef Bachem

Josef Bachem – Architekt der St. Augustinuskirche
Josef Bachem

Josef Bachem wurde am 30. Juni 1881 in Mülheim am Rhein geboren. Er studierte an der Kölner Baugewerkschule und trat an der Großherzoglichen hessischen Technischen Hochschule eine Assistentenstelle an. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges wurde er Werksarchitekt in Berlin-Johannisthal. 1920 wurde er selbstständiger Architekt in einem gemeinsamen Büro mit Heinrich Horvatin. Josef Bachem verstarb im Alter von 64 Jahren am 8. Februar 1946.

Josef Bachem in der Festschrift zur Weihe der St. Augustinuskirche am 16. September 1928:

ZUR EINWEIHUNG DER ST. AUGUSTINUS-KIRCHE

Festschrift von 1928

Von Architekt Josef Bachem B.D.A. Berlin-Johannisthal

Die größten Künstler des Mittelalters setzten ihren Stolz und ihre Ehre darein, Gotteshäuser bauen zu dürfen, die den Gläubigen zur Erbauung dienen, den Nichtgläubigen wenigstens die Bedeutung christlicher Kunst und christlicher Kultur zeigen und die kommenden Geschlechter an die große Tradition der Vergangenheit erinnern sollten. Die Menschen, die unsere mittelalterlichen Dome bauten oder ihre Scherflein dazu beitrugen, stellten an das äußere Leben sehr primitive Ansprüche. Aber sie waren religiös gerichtete Naturen und hielten es für selbstverständlich, daß ihre Gotteshäuser an Pracht und Schönheit alle weltlichen Bauten weit überragten.

Im Gegensatz hierzu ist trotz der zunehmenden Ansprüche, die die modernen Menschen an das Leben stellen, in den heutigen kirchlichen Bauten gegenüber den vergangenen Zeiten leider ein relativer Rückschritt zu verzeichnen. Darin liegt eine große Gefahr. Denn die Menschen der Gegenwart sehen Tag für Tag in den öffentlichen Verwaltungsgebäuden, selbst in den Vergnügungsstätten, im Theater und Kino, die neuesten Errungenschaften des technischen Fortschritts. Muß ihnen da nicht der Gedanke kommen, daß auch die kirchliche Kunst Schritt halten müßte mit der modernen Entwicklung? Und muß sie nicht, wenn sie das versäumt, als rückständig erscheinen?

Die Katakomben des Frühchristentums, die späteren Kathedralen, die mittelalterlichen gotischen Dome und die Kirchen des Barock erzählen uns noch heute von der Religiosität und der gesamten Geisteshaltung, aber auch von dem technischen Können und den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Zeit, in der sie entstanden.

Eine Kirche, die in unserer Zeit gebaut wird, muß deshalb unserer Geisteshaltung entsprechen und darf die Fortschritte technischer Entwicklung nicht unbeachtet lassen. Eine solche Kirche muß folgerichtig ein anderes Gepräge aufweisen als ein Gotteshaus aus vergangenen Zeiten, über deren Materialschwierigkeiten und technischen Konstruktionsmöglichkeiten wir längst hinausgewachsen sind. Es wäre daher sinnlos, alte Grundriß- und Schnittbildungen blindlings nachzuahmen. Wenn es die heutige Technik beispielsweise gestattet, Räume mit den größten Spannweiten ohne jeden Pfeiler zu überwölben, soll man da nicht auf die Stellung von Pfeilern grundsätzlich verzichten, zumal die Pfeiler vielen Gläubigen die andächtige Teilnahme an der gottesdienstlichen Handlung erschweren? Lehnt man diese grundsätzliche Stellung für die christliche Kunst ab, so läuft die Kirche Gefahr, ihren Namen als vornehmste Förderin jeglicher Kunstbestrebungen einzubüßen.

Dem Pfarrer von St. Augustinus, Herrn Dr. Pelz, kann es deshalb nicht hoch genug angerechnet werden, daß er die neue Pfarrkirche in fortschrittlichem Geiste bauen ließ, so daß die oben skizzierten Gesichtspunkte Berücksichtigung finden konnten.

Die neu erbaute St. Augustinus-Kirche liegt im Norden Berlins, mitten im Arbeiterviertel und unmittelbar an der Nordringbahn. jenseits der Bahn liegen der Kirche gegenüber unschöne Häusergiebel. Als die Bahn gebaut wurde, verteilte man den ausgehobenen Boden auf die anliegenden Grundstücke, so daß das Gelände um vier bis fünf Meter erhöht wurde. Dadurch ergaben sich für die Fundamentierung der neuen Kirche neben höheren Kosten gewisse technische Schwierigkeiten. Bei den verschiedenen Vorschlägen der hierzu aufgeforderten Spezialfirmen – Betonpfähle, Bohrpfähle oder Massiv-Fundierung anzuwenden – stellte es sich heraus, daß die Massivfundierung in diesem Falle am preiswertesten war und technisch für die Nachbarhäuser ohne jede Gefährdung ausgeführt werden konnte.

Grundriss

Auch aus der Form und Lage des zu bebauenden Grundstücks erwuchsen gewisse Schwierigkeiten. Das Haus Dänenstraße 19, ein Mietshaus, gehört der Kirchengemeinde, und es besteht die Absicht, später auch dieses Haus für seelsorgliche Zwecke mitzubenutzen. So wurde es notwendig, bei der Bebauung der Grundstücke Dänenstraße 17 und 18 auf diese zukünftige organische Verbindung Rücksicht zu nehmen.

Eine weitere Schwierigkeit der Bebauung lag in dem Umstande, daß der Seitengiebel, an den die Kirche angebaut werden sollte, im letzten Drittel plötzlich unter stumpfen Winkel abbiegt. Es mußte deshalb eine Grundrißlösung gefunden werden, die sich diesem Knick organisch so anpaßt, daß eine Längsorientierung der Kirche möglich wurde. Diese Längsorientierung bietet den Vorteil, daß nunmehr das Presbyterium der Kirche vom Straßenlärm möglichst entfernt liegt, und daß gleichzeitig ein breiter Hof entstanden ist, der den im Gemeindehaus liegenden Wohnungen besser Licht und Luft zuführt.

Das zu bebauende Grundstück hatte eine Breite von 36 Metern und lag zwischen Nachbargiebeln, die bei einer Tiefe von zirka 35 bzw. 40 Metern eine Höhe von 22 Metern aufweisen. Um für den Kirchenraum die Gefahr einer schlechten Seitenbeleuchtung, die zudem nur von einer Seite aus möglich war, auszuschalten, wurde die eigentliche Tagesbeleuchtung durch ein Oberlicht gewählt, das bei einer Breite von 3,75 Metern im Mittelpunkt der Kuppel über dem Kirchenschiff liegt. Diese starke Lichtquelle des Oberlichtes, die anfänglich sehr umstritten wurde, gab die Möglichkeit, die verbleibenden Seitenfenster als weitere Lichtquellen gleichsam auszuschalten und so stark farbig zu gestalten, daß sie durch ihr Farbenspiel zur Hebung der in der Kirche liegenden Stimmung wesentlich beitragen. Die hierdurch geschaffene Abgeschlossenheit von der Außenwelt verleiht dem Gotteshause ein besonderes Gepräge. Die sakrale Bedeutung des Chorraumes wird noch besonders betont durch die Fülle des Lichtes, das von beiden Seiten durch je vier Fenster auf den Altar strahlt.

Sobald man durch die Windfänge die Kirche betritt, kann man das gesamte Innere des Gotteshauses überblicken. Es fällt der Blick sofort auf den Altar, zu dem elf Stufen hinaufführen, und der bei einer Höhe von acht Metern eine untere Breite von fünf Metern aufweist. Ober dem mit schwarzem Marmor umkleideten Altartisch erhebt sich in einer seitwärts abgestuften Umrahmung von blauer Keramik ein Mosaikbild von 1,20 Meter Breite und 5,50 Meter Höhe. Aus dem Mosaikbild, dessen unterer Teil den Schutzpatron der Kirche St. Augustinus und seine Mutter St. Monika darstellt, wächst nach oben zu ein fünf Meter hohes Kreuz plastisch heraus, das einen 2,40 Meter großen, vom Bildhauer Hitzberger meisterhaft geschnitzten plastischen Christuskörper trägt.

Die mich leitende Idee, den leidenden Christus in den Mittelpunkt der Kirche zu stellen und den Gläubigen als stete Mahnung zur inneren Einkehr aufleuchten zu lassen, hat durch die schaffenden Künstler, den Bildhauer Hitzberger und die Firma Puhl & Wagner in Berlin-Treptow, eine treffliche Ausführung gefunden.

Die Gesamtwirkung des Altars wird erhöht durch die im Silberglanz aufstrahlende Abschlußwand des Presbyteriums. Auch die Nischen für die Seitenaltäre und Beichtstühle strahlen im Silberglanz und heben sich damit ab von dem im Gotteshause vorherrschenden hellblauen Farbton, der nur durch die in rotem Kunststeinmuschelkalk ausgeführten Chorsäulen und Wandpilaster unterbrochen wird.

Der Gemeindesaal wurde abseits von Kirche und Pfarrhaus als Abschluß des Pfarrhofes gebaut. Erst während des Baues wurde die Errichtung von zwei besonderen Jugendheimen angeregt. Die organische Verbindung dieser Helme mit dem Gemeindesaal ergab insofern Schwierigkeiten, als für die rechte hintere Ecke des Pfarrgrundstückes zu Gunsten des Nachbarn eine Hofgemeinschaft eingetragen ist, so daß dieser Platz nicht bebaut werden durfte.

Die äußere Architektur der Kirche ist einfach und sachlich gehalten. Für die Fassade wurde ein rotbunter Klinkerstein in Verbindung mit gleichfarbiger Keramik gewählt. Das Pfarrhaus erhielt vom zweiten Stock ab Edelputz, und es besteht die Absicht, auch die Fassade des jetzigen Mietshauses Dänenstraße 19 dem Pfarrhaus entsprechend abzuändern.

Die monumentale Fassade der Kirche wird überragt durch ein sechs Meter hohes vergoldetes Metallkreuz, das als christliches Symbol die nähere Umgebung der Kirche beherrscht.

Beim Abschluß des Baues ist es mir ein Bedürfnis, dem hochw. Herrn Pfarrer Dr. Pelz für seine eigenen Anregungen und sein verständnisvolles Eingehen auf meine Pläne und Vorschläge herzlichst zu danken. Mit besonderer Freude möchte ich feststellen, daß unsere gemeinsame Arbeit vom ersten bis zum letzten Tage durchaus harmonisch ohne jede Trübung verlief. Freud und Leid, wie sie jeder größere Bau mit sich bringt, haben wir gemeinsam getragen.

Auch meinem Hauptmitarbeiter, dem Herrn Architekten Heinrich Horvatin, besten Dank meinerseits sowie dem Herrn Architekten Otto Kutschmar und Herrn Günter Majewski, dem örtlichen Bauleiter, danke ich für ihre Mitarbeit. Jeder von ihnen hat in seinem Aufgabenkreis mit dem größten Interesse gearbeitet und somit zum besten Gelingen des Baues beigetragen.

Desgleichen möchte ich nicht verfehlen, den zahlreichen am Gesamtbau beteiligten Firmen, die in besonderer Liste namentlich aufgeführt werden, für ihre Mitarbeit meine Anerkennung und meinen Dank auszusprechen. Besonderer Dank gebührt der Baufirma Eckhardt und ihrem Polier Herrn Böhnke.

Während des gesamten Baues hat Gottes Segen sichtlich auf allen Arbeiten geruht. Auch hatten wir während der ganzen Ausführung keinen einzigen Unfall zu verzeichnen. Möge der Segen des Höchsten weiter auf der Kirche ruhen, und möge die neue Kirche eine religiöse Kraftquelle für den Berliner Norden werden!